Immer wieder lese ich von Hundehaltern, dass sie ihren Hund mit Enrichment beschäftigen.

Diese Formulierung birgt eine Gefahr in sich. Die nämlich, dass man zwischen Beschäftigung und Enrichment nicht differenziert.

Enrichment wurde vor allem für Tiere in Zoohaltung entwickelt, um Stereotypien und abnormal repetitivem Verhalten vorzubeugen. Es wurde Tieren, die in einer deprivierten Situation lebten, etwas geboten, das sie durch das gezielte Setzen von Reizen aus der Umwelt kognitiv und sensorisch fördern sollte. Durch diese mentale und körperliche, bedürfnisorientierte Auslastung versprach man sich eine bessere Lebensqualität für Tiere in Gefangenschaft.

Enrichment ist aber doch Beschäftigung?

Der Schnüffelteppich macht dem Hund Freude. Ist das wirklich so?

Ich möchte in diesem Artikel einen Überblick geben, was für mich Enrichment bedeutet.

Enrichment ist für mich intrinsisch motiviert, die Initiative geht häufig vom Hund aus, während die Beschäftigung (und dazu zähle ich auch das Training) meist extrinsisch motiviert ist und die Initiative häufig vom Halter ausgeht.

Enrichment KANN Beschäftigung sein, in vielen Fällen ist es das aber nicht. Wir gehen beim Enrichment von der klassischen (Verhaltens-)Anreicherung aus dem Bereich der Zootierhaltung aus. Der Punkt ist, unsere Hunde leben nicht im Zoo. Eine Strategie oder Maßnahme 1:1 auf unsere Haushunde zu übertragen, die in einem völlig anderen Kontext leben, führt dazu, dass sich ein falsches Verständnis zum Thema Enrichment entwickelt.

Der Begriff Enrichment bedeutet „Bereicherung“. Unsere Hunde sind in unserem Alltag einer Vielzahl von Reizen ausgesetzt, sie scheinen also, im Gegensatz zu Tieren in Gefangenschaft, im Alltag nicht depriviert zu sein, eher im Gegenteil, sie werden überreizt, können die Reize kaum verarbeiten. Ein Mehrgewinn ist es für sie trotzdem nicht.

Können Hunde also depriviert sein, auch wenn sie täglich vielen Reizen ausgesetzt werden?

Ja, das können sie.

Warum?

Weil diese Reize nicht bedürfnisorientiert sind. Es geht nicht nur darum, dem Hund neue Anreize zu schaffen, neuen olfaktorischen oder sensorischen Input zu bieten, sondern zu beobachten, was der Hund von sich aus zeigt. Was präferiert er? Welches Verhalten zeigt er gerne?

Ein Schnüffelteppich kann schnell zur Beschäftigung werden, wenn ein Halter nicht weiß, ob der Hund ihn von sich aus bevorzugen würde.

Mein Hund schnüffelt am Boden. Aber nicht, weil er das zwangsläufig als bereichernd empfindet, sondern weil er die Leckerchen aufsammelt, die ich ihm hingestreut habe. Das, WAS für ihn bereichernd ist, ist das Suchen mit hoher Nase.

Enrichment ist, gerade WEIL unsere Hunde so vielen Reizen ausgesetzt sind, enorm wichtig. Es geht nicht primär um das Gestalten der Umwelt. Es geht nicht um das Training (welches die meisten Hunde nicht als Enrichment empfinden). Es geht nicht um das Beschäftigen, wie das Ausschlecken des Kongs. Es geht darum, zu analysieren, was mein Hund mag. Je feiner man differenziert, desto größer ist die Bereicherung.

Wenn mein Hund sich auf den Schnüffelteppich stürzt und es kaum erwarten kann, die Leckerchen herauszufischen, könnte man noch weitergehen und darüber nachdenken, welche Art der Leckerchen er besonders mag. Vielleicht legt man auch zwei oder drei Schnüffelbälle nebeneinander, jeweils mit anderen Leckerchen bestückt und lässt den Hund selbst entscheiden, welchen er besonders mag. Selbst entscheiden zu können gehört für mich ebenfalls zu einer Bereicherung. So hat man ein rundum gelungenes Enrichment. Der Hund erhält eine vielschichtige, bedürfnisorientierte Beschäftigung. DIESE Beschäftigung ist dann Enrichment. Hätte er den Schnüffelteppich abgeschnüffelt, ohne sonderlich motiviert oder interessiert zu sein, macht er das, wie mein Charly, weil sich Leckerchen darin befinden. Einen echten Mehrwert bietet es dem Hund aber nicht.

Deswegen ist es mir ein großes Anliegen, Enrichment nicht nur als eine Anreicherung der Umwelt zu betrachten. Reize aus der Umwelt haben wir alle genug. Ziel ist die differenzierte Sicht auf die Bedürfnisse unserer Hunde und nicht darauf, sie generell auszulasten. Das erfordert ein Umdenken und ist zu Beginn auch nicht so leicht zu trennen. Viele Seminarteilnehmer geraten ins Grübeln, wenn ich sie auffordere, zwischen Beschäftigung und Enrichment zu unterscheiden. Und genau das ist, was ich mir wünsche: Nachzudenken, was dem Hund einen echten Mehrwert verschafft. Die Situationen, die man vorher als Enrichment bezeichnet hat, neu zu bewerten und Alternativen oder neue Momente zu entdecken.  Enrichment ist eine „Tankstelle“, um unseren Hunden ein Aufatmen zu verschaffen in einem Alltag, der weitestgehend fremdbestimmt ist.

A.

Anmerkung: Beschäftigung und natürlich auch Training gehören zum Alltag eines Haushundes. Es geht mir nicht darum, abzuwerten – eher darum, zu erweitern.

Für Interessierte:

Scientific Approaches to Enrichmentand Stereotypies in Zoo Animals:What’s Been Done and Where ShouldWe Go Next? Swaisgood,Shepherdson (Zoo Biology 24:499–518 (2005))

www.animalenrichment.org/spider/

Sensory stimulation as environmental enrichment for captive animals: A review Applied Behavior Analysis Science Volume 118, Issues 1–2, April 2009, Pages 1-11

Environmental enrichment: Increasing the biological relevance of captive environments Applied Behavior Analysis Science Volume 44, Issues 2–4, September 1995, Pages 229-243

Possible limits and advances of environmental enrichment for wild animals Revista de Etologia 2012, Vol.11, N°1, 37-45.

Environmental enrichment for captive animals Robert J.Young Blackwell publishing

Blog- Artikel von Amy Davis, Ampersand

The Evolution of environmental enrichment

Zum Weiterlesen von meiner Kollegin Simone Müller

Thttps://www.training4paws.de/enrichmentde